
Echt jetzt, Herr Lindner???
Lieber Herr Lindner,
ich dachte eigentlich das Thema wäre vom Tisch, aber ich habe gerade den Nachrichten entnommen, dass sie den #Tankrabatt weiterhin für eine gute Idee halten. Soweit ich das beurteilen kann sind sie der Einzige, der diesem (entschuldigen sie bitte die Wortwahl) hirnrissigen Vorschlag etwas positives abgewinnen kann. Und ich verstehe wirklich nicht warum. Ein #Tankrabatt widerspricht nicht nur komplett den Werten ihrer Partei (die ich nicht in allen Fällen teile) und ihrer eigenen Überzeugung, sondern es gibt so viele Gegenargumente, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll… Sie kennen die Argumente vermutlich alle, ich will aber trotzdem nochmal einige darlegen:
Die Grundlage ihrer Politik sind – wie man z.B. in ihrem Wahlprogramm nachlesen kann – „marktwirtschaftliche Prinzipien“ oder salopp ausgedrückt „Der Markt regelt das“. Nun ist es natürlich problematisch den Markt etwas regeln zu lassen wenn der Rohstoff überwiegend von einem Kartell bezogen wird. Da sich die Ölpreise auf dem Weltmarkt aber bereits halbwegs normalisiert haben können wir das mal außer Acht lassen. Der Markt – oder Angebot und Nachfrage – regeln (so die Theorie) den Preis. Aktuell ist die Nachfrage offensichtlich – trotz der hohen Preise noch nicht gesunken (https://www.zdf.de/nachrichten/wirtschaft/spritpreise-tempo-verbrauch-100.html) also sagen die Mineralölkonzerne „Dankeschön!“ und nehmen die höhere Marge gerne mit. Da könnte man (wie Herr Habeck das ja auch tut) vielleicht mal freundlich nachfragen, ob das alles wirklich vom Markt so geregelt wird, oder ob da Mr. Shell heimlich mit Herrn Aral und Frau BP gesprochen hat (die Thematik ist aber deutlich komplexer)
Ein #Tankrabatt, also ein pauschaler Abschlag auf den Liter Sprit, oder noch schlimmer eine Deckelung des Benzinpreises führt – marktwirtschaftlichen Prinzipien zufolge – zu einer höheren Nachfrage und damit wiederum zu steigenden Preisen (die aber bei einer Deckelung nicht steigen können). Sie erreichen also genau das Gegenteil dessen was sie beabsichtigen. Das ist sprichwörtlich Öl ins Feuer gegossen.
Benzin ist nicht gerade ein Produkt mit einer hohen Marge (an der Zapfsäule). Eine kurze Google-Suche hat mir leider keine zuverlässigen Ergebnisse gebracht, wieviel ein Tankstellenpächter am Liter Sprit verdient. Sie haben da sicher bessere Quellen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass wir uns im einstelligen Cent-Bereich bewegen. Nun braucht man keinen Doktor in Teilchenphysik: 20 Cent (oder mehr), die ein Pächter an der Kasse abzieht, summieren sich ziemlich schnell zu ordentlichen Beträgen (Gehen wir mal von 10.000 Liter / Tag aus, dann sind wir nach einer Woche bei 14.000 €) die er „zügig“ vom Finanzamt erstattet bekommt. Was „zügig“ beim derzeitigen Digitalisierungsstand und in Behördendeutschland heißt will ich mir lieber vorstellen. Ich würde aber davon ausgehen, dass der ein oder andere Pächter da ziemlich schnell Liquiditätsprobleme bekommt und vom Markt in die Pleite geregelt wird.
Wer bekommt den #Tankrabatt? Die Autofahrer. Diejenigen, die aus beruflichen oder privaten Gründen Auto fahren müssen, aber auch diejenigen die zu bequem sind, Alternativen zu wählen, auch diejenigen die mit dem 2 Tonnen SUV zur Bäckerei fahren. Die viel besungene Krankenschwester die bei Höchstinzidenzen mit den Öffis COVID-Kranke versorgen fährt hat nichts davon. Der Familienvater, der jeden morgen seine 3 Kinder mit dem Fahrradanhänger in die Kita bringt hat nichts davon. Die umweltbewusste Kassiererin, die sich von ihrem Ersparten und mit Kredit einen kleinen E-Zoe geleistet hat, hat nichts davon und der grüne Vorstadt-Hipster, der sein E-Bike mit der Photovoltaik auf dem Dach des Eigenheims betankt, hat auch nichts davon. Nicht einmal die Heerscharen von Firmenwagen-Fahrern mit ihren Alibi-Hybrid-SUVs und Schummel-Diesel-Passats (zu Letzteren gehöre ich übrigens) haben etwas davon. Der Sprit wird ja mit Tankkarte bezahlt. Selbst die Straßenbahn und der ICE bleiben außen vor (und damit deren Nutzer). Sie alle leiden aber auch unter den gestiegenen Energiekosten und sollen jetzt mit ihren Steuergeldern diejenigen subventionieren, die uralte verrottete Kleintiere verbrennen?
Lieber Herr Lindner, natürlich sind die die hohen Spritpreise ein akutes Problem. Es gibt viele Ideen damit umzugehen, gute und weniger gute, der #Tankrabatt ist mit Sicherheit eine der schlechtesten: Wenig zielführend, kurzfristig, populistisch und einseitig gedacht. Ihnen und ihre Kolleginnen und Kollegen in der Regierung fällt da sicher etwas Besseres ein.

